Chemienobelpreis 1904: William Ramsay

Chemienobelpreis 1904: William Ramsay
Chemienobelpreis 1904: William Ramsay
 
Der britische Wissenschaftler erhielt den Nobelpreis für »die Entdeckung der indifferenten gasförmigen Grundstoffe in der Luft und die Bestimmung ihres Platzes im Periodensystem der Elemente«.
 
 
Sir (seit 1902) William Ramsay, * Glasgow 2. 10. 1852, ✝ High Wycombe 23. 7. 1916; 1870-72 Chemiestudium in Glasgow und Tübingen, ab 1872 Assistent am Anderson College in Glasgow, ab 1874 Assistent an der University of Glasgow, ab 1880 Professor der Chemie am University College in Bristol, ab 1887-1913 Professor der anorganischen Chemie am University College in London.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Im statistischen Mittel setzt sich die Luft der Troposphäre, also der bodennahen Lufthülle der Erde, in trockenem und reinem Zustand gemessen und in Volumenprozenten angegeben etwa aus 78,09 Prozent Stickstoff (N2), 20,95 Prozent Sauerstoff (O2) und 0,03 Prozent Kohlendioxid (CO2) zusammen. Die genaueren Kenntnisse über die verbleibenden 0,93 Volumenprozente gehen auf die Arbeiten von Sir William Ramsay zurück. Er entdeckte 1894 zusammen mit Lord Rayleigh das chemische Element Argon (Ar), wies 1895 das Helium (He) auf der Erde nach und entdeckte 1898 das Neon (Ne), das Krypton (Kr) und das Xenon (Xe). Das 1900 von Ernest Rutherford (Nobelpreis 1908) und Frederick Soddy (Nobelpreis 1921) entdeckte Radon (Rn) sagte Ramsay voraus. Die entdeckten und bekannten Elemente ordnete Ramsay in das Periodensystem der Elemente als VIII. Hauptgruppe, die Edelgase, ein.
 
Traditionell steht dem Entdecker eines chemischen Elements das Recht zu, diesem Element einen Namen zu geben. Meist wird er den toten Sprachen Altgriechisch und Latein entnommen. Die Namen der Edelgase sind aus dem griechischen abgeleitet. Argos bedeutet träge, neos neu, kryptos verborgen, xenos fremd. Der Name Helium leitet sich von dem Wort helios, Sonne, ab. Ursprünglich als »Radium-Emanation« (das vom Strahlenden Ausströmende) bezeichnet, erhielt das Radon seinen Namen endgültig erst 1931.
 
 Welche Beobachtungen und Theorien wirkten in Ramsays Arbeiten zusammen?
 
Chemische Elemente zeigen in einem Spektrum charakteristische Linien. Diese von Robert Wilhelm Bunsen und Gustav Robert Kirchhoff 1859 fruchtbar gemachte Analysenmethode hatte schon maßgeblich zur Entdeckung einiger Elemente beigetragen. Das chemische Element Indium erhielt sogar seinen Namen von der charakteristischen indigoblauen Spektrallinie. 1868 hatten die Astronomen Pierre Jules César Janssen und Joseph Norman Lockyer im Sonnenspektrum ein chemisches Element identifiziert, das auf der Erde nicht auffindbar schien. Sie gaben ihm den Namen Helium. Ramsay konnte die Spektralanalyse mit Erfolg in der Analyse der Edelgase einsetzen. Dies war umso wichtiger, als diese Gase außerordentlich chemisch reaktionsträge sind und nicht aufgrund von chemischen Verbindungen zu beschreiben sind.
 
Das von Dmitrij Mendelejew und unabhängig von ihm, von Julius Lothar Meyer 1869/70 vorgestellte Periodensystem der Elemente ordnete die bis dahin bekannten chemischen Elemente in so genannte Perioden sowie in Haupt- und Nebengruppen. Damit waren Elemente mit ähnlichen physikalischen und chemischen Eigenschaften so zusammengestellt, dass eine Vorhersage darüber möglich wurde, wie sich bestimmte Eigenschaften innerhalb einer Gruppe der Elemente sowie innerhalb einer Periode verändern würden. Dies betraf etwa die Frage nach der Zusammensetzung des Oxids, des Chlorids und anderer chemischer Verbindungen des Elements, den Schmelzpunkt, den Siedepunkt, das spezifische Gewicht, das spezifische Volumen, ob es sich um ein Metall oder um ein Nichtmetall handelte und anderes mehr. Die Entdeckung der Edelgase, als reaktionsträge und einatomig auftretende Gase, und ihre Einordnung in das Periodensystem aufgrund ihres Atomgewichts zwischen den sehr reaktiven Elementen der siebten und der ersten Hauptgruppe sollte zur Deutung der chemischen Eigenschaften aufgrund des physikalischen Aufbaus in den kommenden Jahren beitragen.
 
Rayleigh und Ramsay beobachteten, dass Stickstoff aus der Luft und Stickstoff, der auf chemischem Weg gewonnen wurde, sich in der Dichte geringfügig unterschieden. Damit war es wahrscheinlich, dass der Stickstoff der Luft von einem reaktionsträgen oder chemisch nichtreaktiven Gas begleitet wurde. Ramsay entfernte aus der Luft Sauerstoff und Stickstoff auf chemischem Weg und analysierte den Rest, etwa 0,93 Volumenprozent, durch die spektralanalytische Methode.
 
Im darauf folgenden Jahr konnte Ramsay die Beobachtung von William Francis Hillebrand deuten, der bei dem Auflösen uranhaltiger Gesteine eine Gasentwicklung registriert hatte. Es handelte sich ebenfalls um ein »edles« Gas, das Argon, das mit seinen Spektrallinien mit dem 1868 entdeckten Helium übereinstimmte. Mit Argon und Helium waren zwei Vertreter einer neuen, bislang unbekannten chemischen Gruppe im Periodensystem gefunden, und es ließ sich die Existenz eines weiteren Gases vorhersagen, das im Periodensystem aufgrund seines Atomgewichts zwischen Helium und Argon stehen musste.
 
Bei der Suche nach dem vorhergesagten Edelgas kam der von Carl von Linde 1895 entwickelten Methode der Luftverflüssigung besondere Bedeutung zu, weil nunmehr größere Mengen Untersuchungsmaterial (Luft) in einer leichter handhabbaren Form bereitgestellt werden konnten. Aus der verflüssigten Luft gelang Ramsay nicht nur der Nachweis des vorhergesagten Neons, sondern zugleich die Entdeckung von Krypton und Xenon. Damit war die Gruppe der Edelgase fast komplett, und das Periodensystem der Elemente wurde erneut glänzend als Prognoseinstrument bestätigt.
 
 Praktische Bedeutung
 
Bedeutung für den Alltag gewannen die neuen Elemente in dem sich um 1900 stürmisch entwickelnden Gebiet der elektrischen Beleuchtung. Die in den verschiedenen Glühlampen verwendeten Drähte waren unter den in der Lampe herrschenden chemischen Bedingungen sehr anfällig für Verschleiß, da sie sich mit den in der Lampe befindlichen Gasen nach einer gewissen Zeit chemisch umsetzten. Die Verwendung der reaktionsträgen Edelgase als Füllgase für die Lampen verlängerte deren Lebensdauer beträchtlich. Durch die größere chemische Beständigkeit konnte der Glühdraht nunmehr auf höhere Temperaturen elektrisch beheizt werden, sodass sich über die als Licht abgestrahlte Energie auch eine höhere Lichtausbeute ergab. Der Name des verwendeten Edelgases ist in die verschiedenen Lampenarten eingegangen: Neonröhre, Kryptonglühlampe, Xenonstrahler. Je nach verwendetem Edelgas ergeben sich unterschiedliche Lichtfarben, die sich durch eine entsprechende chemische Zusammensetzung des »Lampenglases« zur gewünschten Farbe steuern lassen. Technische Bedeutung erlangten die Edelgase ferner als Schutzgase beim Schweißen oder auch in der medizinischen Anwendung. Um unerwünschte Reaktionen zu unterbinden, wird bei chemischen Synthesen gelegentlich auf eine Schutzatmosphäre aus Edelgas zurückgegriffen.
 
N. Fuchsloch

Universal-Lexikon. 2012.

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